Einleitung
Gamification ist ein Begriff, den man immer wieder antrifft. Nicht zuletzt, weil gefühlt jede App sie verwendet. Auch in der Bildung ist es nicht anders. Doch was ist es? Gamification bezeichnet die Einbindung von Spielelementen in Nicht-Spiel-Umgebungen. Grundsätzlich kann es überall integriert werden. Webseiten, Apps, Foren und Social Media sind dabei die hauptanwendungsplätze, angetrieben von der Digitalisierung. Gamification zielt darauf ab, Aufgaben auf spielerische Weise attraktiver zu gestalten.
Geprägt wurde der Begriff von Gamedesigner Nick Pelling im Jahre 2002. Drei Jahre später wurde die Plattform Bunchball gegründet, welche sich zum Ziel gesetzt hatte, durch Spielmechaniken das Engagement auf Webseiten zu erhöhen. Über die nächsten Jahre wurden immer mehr Gamemechaniken wie Rollenspielelemente und Abzeichen auf Webseiten, Apps und Spielkonsolen integriert. Zu explodieren beginnt Gamification jedoch in den 2010er Jahren. Gestützt von TedTalks, Gipfeltreffen und Forschung beginnen immer mehr Unternehmen damit, Gamification in ihre Produkte und Dienstleitungen einzubauen. Gleichzeitig entstehen immer mehr Firmen, die sich auf Gamification spezialisieren. Mittlerweile findet es sich in praktisch jeder App bzw. jedem Lebensgebiet wieder. Das ist auch in der Bildung nicht anders. Duolingo, Quizlet und Kahoot! sind prominente Beispiele von Gamification in Bildungsanwendungen.
Psychologische Grundlagen
Gamification stützt sich auf fundierte psychologische Theorien. Die Grundlage bildet die Self-Determination Theory (Selbstbestimmungstheorie, kurz: SDT). STD unterscheidet zwischen intrinsischer (aus eigenem Antrieb) und extrinsischer (durch externe Belohnungen) Motivation. Dabei sieht SDT intrinsische Motivation als wertvoller an. Intrinsische Motivation entsteht, wenn die Grundbedürfnisse nach Kompetenz, Autonomie und Zugehörigkeit erfüllt sind, genau die Dinge, bei denen Gamification ansetzt.
Ein zentraler Faktor von Gamification sind Belohnungssysteme. Dies primär durch Einsatz von Belohnungssystemen wie Punkte, Abzeichen und Levels erreicht. Das Erhalten dieser variablen Belohnungssysteme für erfüllte Aufgaben führt zu einer Dopaminausschüttung und fördert so die regelmässige Teilnahme von Nutzenden.
Weiter führt Gamification zu Flow-Zuständen. Der Begriff, von Mihaly Csikszentmihalyi geprägt, beschreibt einen Zustand tiefster Konzentration, bei dem Lernende Zeit und Fremdgedanken vergessen und sich vollkommen auf die gegebenen Aufgaben fokussieren. Flow zeichnet sich durch klare Ziele, sofortiges Feedback und einer Balance zwischen Herausforderung und Fähigkeit aus.
Gamification setzt auf eine Kombination von SDT und Flow Theorie und führt dadurch zu nachhaltigem Engagement und optimalem Lernerlebnis. Die Grundbedürfnisse werden befriedigt, intrinsische Motivation entsteht und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit, dass ein Flow-Zustand entsteht.
Gamification-Elemente

Die Elemente von Gamification bestehen aus Punkten, Badges (Abzeichen), Levels, Quests/Challenges, sofortiges Feedback, Leaderboards und Storytelling.
Punkte, Badges & Leaderboards
Punkte (z. Eng. Experience Points, oft auch als EXP/XP abgekürzt), Badges (Abzeichen) und Leaderboards das zentrale Trio von Gamification-Mechaniken. Sie wirken motivierend, sind einfach zu implementieren und fördern Fortschritt sowie Wettbewerb. Punkte werden verwendet, um Lernende für das Lösen von Aufgaben zu belohnen. Badges werden als visuelle Repräsentation für erbrachte Leistungen vergeben. Dies können erreichte Meilensteine (z. Bsp. 10 gelöste Aufgaben) oder spezifische Errungenschaften/Verhaltensweisen sein (z. Bsp. 3 Aufgaben hintereinander richtig gelöst). Leaderboards sind Ranglisten, die Spieler anhand ihrer kumulierten Punkte auflisten. Dadurch können Vergleiche gezogen werden, die wiederum dazu führen, dass Anreize entstehen, mehr Punkte zu gewinnen, um höher gelistet zu werden.
Levels, Quests & Challenges
Neben Punkten, Badges & Leaderboards sind auch Levels, Quests & Challenges (Herausforderungen) zentrale Elemente von Gamification. Sie dienen dazu Lernen zu strukturieren und fördern Zielorientierung sowie intrinsisches Engagement.
Sofortiges Feedback
Sofortiges Feedback (z. B. durch Punktvergabe oder Fortschrittsbalken) unterstützt Lernende bei der Selbstkorrektur und fördert ihr weiteres Engagement. Sie sind grundlegende Aspekte für motiviertes Lernen.
Storytelling
Durch narrative Kontexte, Geschichtenrahmen und Avatare wird ein immersives Lernen geschaffen, das Aufgaben eine tiefere Bedeutung verleiht, die über die reine Punktlogik hinausgeht.
Soziale Mechaniken & Teamplay
Gamification kann kooperative Elemente wie Gruppenquests, Teampunkte oder Teamrankings beinhalten, um gemeinsame Lernprozesse zu fördern. Diese Mechaniken stärken soziales Lernen sowie Motivation.
Gamification vs. Game-Based Learning
Oft hört man auch von Game-Based Learning und meint damit Gamification oder umgekehrt. Sie sind zwar verwandte Konzepte, unterscheiden sich aber grundlegend in Ansatz und Tiefe. Während bei Gamification lediglich Spielmechaniken in Lernaktivitäten integriert werden, handelt es sich bei Game-Based Learning um vollständige Lernspiele. Gamification ist demzufolge leicht integrierbar und motivierend, bleibt aber begrenzt in der Tiefe. Game-Based Learning ist hingegen hoch immersiv und fördert tiefes Lernen sowie Problemlösungsfähigkeit. Es ist ideal für komplexere Bildungsziele ist dafür aber auch viel zeit- und kostenintensiver in der Entwicklung.
Vorteile in der Weiterbildung
Gamification bringt vielerlei Vorteile zu traditionellen Lernstrategien. Durch Elemente wie Punkte, Abzeichen, Levels und sofortiges Feedback wird Engagement, Produktivität und Lernmotivation deutlich erhöht. Dank wiederholten Interaktionen, klaren Zielstrukturen und individuell sichtbarem Fortschritt entsteht nachhaltiges Lernen und Retention. In Gruppenkontexten kann durch gemeinsame Aufgaben und Wettbewerbsmechanismen zusätzlich soziale Interaktion und Teamwork gesteigert werden.
Technologische Möglichkeiten
Tools und Plattformen

Die weit verbreitete Verwendung von Gamification sorgt auch im Bildungsbereich für interessante Anwendungsbeispiele. Das Paradebeispiel ist dabei die Sprachlernapp Duolingo. Bei Duolingo hat man sich Gamification als Grundlage für die Lernstrategie genommen. Sie verwenden Punkte, Streaks (ungebrochene anzahlt Tage, an denen die App verwendet wird), Badges, Levels und personalisierte Nachrichten, die zum Verwenden der App animieren sollen. Die Lernlektionen sind happenweise und sind so entwickelt das man sie täglich in wenigen Minuten machen kann, mit dem Ziel, dass durch die wiederholte Verwendung der App nachhaltiges Lernen entsteht.
Kahoot! ist bereits ein Klassiker des Klassenzimmers (oder des Zoom-Calls). Mit Kahoot! lassen sich Live-Quizzes starten bei denen sich die Fragen über den PC oder das Smartphone beantworten lassen. Für das richtige beantworten und die Geschwindigkeit gibt es Punkte und die Lernenden werden in einem Leaderboard aufgelistet. Dies sorgt dafür, dass die Beteiligten mehr Engagement zeigen, weil sie sich in einem kompetitiven Umfeld befinden.
Quizlet ist eine digitale Lernplattform, die mithilfe von Karteikarten, interaktiven Spielen und Quizformaten das Wiederholen oder Einprägen von Wissen spielerisch unterstützt und bietet damit eine gamifizierte alternative zu traditionellen Karteikarten bietet. Es enthält die Elemente Punkte, Badges, Streaks und Fortschrittsbalken und kann sowohl einzeln als auch in Gruppen verwendet werden.
Classcraft verwandelt das Klassenzimmer in ein Abenteuer. Es ist ein pädagogisches Rollenspiel bei dem Lernende Avatare erstellen, Quests lösen und als Team Punkte für Leistungen und gutes Verhalten sammeln. Es stärkt den Gemeinschafsgeist und macht den Unterricht unterhaltsamer.
Learning Managements Systems (LMS)

Learning Management Systems sind Software-Webplattformen zur Verwaltung und Bereitstellung von Lerninhalten. Der Zweck von LMS ist das Kursmanagement, die Teilnahmeüberwachung, Bewertung, Kommunikation und Automatisierung von Kursen. Typischerweise werden sie in Bildungseinrichtungen, Unternehmen und öffentlichen Organisationen verwendet. LMS sind ein idealer Fit für die Integration von Gamification-Elementen. Unser Partner Area9verwendet beispielsweise gamifizierte Elemente wie Badges, Fortschrittsanzeige und adaptive Lerninhalte. Erfahre mehr über Area9 und adaptives Lernen hier.
Herausforderungen und Kritik
Trotz seiner vielen Vorteile bleibt Gamification nicht ohne Herausforderungen und Kritik. Insbesondere bei folgenden Themen kristallisiert sich die Kritik heraus:
Manipulation vs. Motivation
Eine der Hauptherausforderungen bietet der sogenannte Overjustification-Effekt. Er besagt, dass die Einführung extrinsischer Belohnungen die intrinsische Motivation zunichte machen kann. Es kommt zu einem Umschwung von der intrinsischen zur extrinsischen Motivation. Wenn diese extrinsische Motivation dann wegfällt, bricht das Interesse ein. Kritiker warnen davor, dass schlecht konzipierte Gamification eher ein Gefühl künstlicher Belohnung erzeugt und mehr wie eine Verhaltenssteuerung als eine echte Lernmotivation wirken kann.
"Gamification-Müdigkeit" und Überladung
Zu viel oder falsch verwendete Gamification kann auch einen umgekehrten Effekt haben. Eine übermässige Verwendung kann zu kognitiver Ermüdung führen. Diese zeigt sich durch Fokusverlust, Entscheidungsüberladung und emotionaler Sensitivität. Wenn Gamification-Elemente falsch verwendet werden, kann es zu Leistungsminderung und Motivationsproblemen führen. Weiter kann auch der Novelty-Effekt eingreifen und ein anfängliches Motivationshoch mit der Zeit sinken, wenn der Reiz der Belohnungen nachlässt.
Zielgruppenspezifische Akzeptanz
Die Akzeptanz bzw. Wirkung von Gamification ist von einigen Zielgruppenspezifischen Faktoren abhängig. Nutzerprofil, Alter, Fachrichtung und soziale Ängste haben grosse Wirkung auf die Akzeptanz von Gamification. Manche Lernende können beispielsweise Badges als irrelevant oder störend empfinden.
Trends und Ausblick

Obwohl Gamification bereits weit verbreitet ist, ist das Wachstum noch längst nicht zum Stillstand gekommen. Durch neue Technologien und Trends kann Gamification weiter vertieft werden und in Mischformen komplett neue Möglichkeiten eröffnen.
Künstliche Intelligenz (KI) bietet beispielweise jetzt schon die Möglichkeit adaptive Lernpfade zu integrieren, die sich auf das Wissen und die Informationsaufnahme der Lernenden anpassen. Auch können sie Lernverhalten analysieren und massgeschneiderte Auszeichnungen für individuelle Erfolge vergeben. Extended Reality (XR) wiederum ermöglich spezifische Szenarien wie Gesprächssituationen, Fahrertrainings und technische Schulungen in einem risikofreien, immersiven Umfeld zu üben. Besonders Soft Skills lassen sich durch solche immersiven Simulationen trainieren. Wenn man KI in solchen Simulationen integriert, kann man bereits jetzt direkte Feedbacks zur Performance erhalten.
Die betriebliche Weiterbildung der Zukunft ist adaptiv, immersiv und lernendenzentriert. Gamification spielt dabei eine zentrale Rolle, als Motivationstool und integraler Bestandteil zukunftsfähiger Lernstrategien.
Du möchtest noch mehr über Gamification lernen? Dann schau dir doch das Video dazu von unserem Geschäftsleiter Roland von Euw dazu an: